Pop-Festivals – Musik für
Instagram
September 2017
Der Sommer neigt sich seinem Ende und damit verbunden eine weitere turbulente Festivalsaison.
Zwischen Dosenbier, Dixie-Klos und der Rock´n´Roller-„Pommesgabel“ liegen zahlreiche Momente
und Erinnerungen, dessen Spuren man vor allem noch in den Sozialen Medien nachverfolgen kann.
Das posten und teilen von Fotos und Nachrichten wurden in den letzten Jahren zu einem wichtigen
Grundstoff für besondere Festivalerlebnisse und Facebook, Instagram oder Twitter damit zu
Bestandteilen der Festivalkultur.
Wie tiefgreifend die digitalen Medien die Festivallandschaft verändert haben, wird unter anderem
mit der Betrachtung der Geschichte von Pop-Festivlas deutlich. In Europa der 1980er und Anfang
der 1990er Jahre konnten nur wenige Festivals nachhaltig Fuß fassen und wurden häufig noch etwas
stiefmütterlich von der Musikindustrie behandelt. Seit dem digitalen Wandel in den späten 1990er
Jahren änderte sich dies und der Festivalmarkt begann zu boomen. Während Tonträger durch die
Verbreitung neuer digitaler Musikmedien einen viel diskutierten Bedeutungsverlust hinnehmen
mussten, wurden Live-Veranstaltungen und insbesondere Pop-Festivals kulturell und wirtschaftlich
zunehmend wichtiger für die westlichen Musikkulturen. Das Erlebnis Pop-Festival gewinnt offenbar
an Wert, wenn Musik in den digitalen Sphären losgelöst von Raum und Zeit gehört, gestreamt,
heruntergeladen oder geteilt werden kann.
Die Veränderungen im Umgang mit Musik reichen alleine aber nicht aus um ein Boom des Pop-
Festivalmarktes zu erklären. Hinzu kommt die parallele Entwicklung sich verändernden
Gesellschaftsstrukturen. Im soziologischen Diskurs spricht man von Individualisierungs-,
Subjektivierungs- oder Pluralisierungs-Prozessen, die frühere Schichten- und Klassenstrukturen
passé sein lassen und traditionellen Gemeinschaften wie die Familie, Nation, Sportverein oder
Kirchengemeinde ihre Bedeutung nehmen. Das Individuum sucht sich neue
Vergemeinschaftungsmuster, „deren […] Kraft nicht länger auf ähnliche soziale Lagen gründet,
sondern auf ähnliche Lebensziele und ähnliche ästhetische Ausdrucksformen“ (Hitzler, Honer &
Pfadenhauer, 2008, S. 9) basiert. Soziale Medien befördern diesen Umstand. Auch sie stützen sich auf
ästhetische Ausdrucksmittel und nicht auf soziale Schichten aus denen die aktiven Personen
kommen. Dennoch können sie Gemeinschaften im emphatischen Sinne nur bedingt herstellen. Häufig
entstehen in digitalen Räumen zufällige Ansammlungen oder Vielheiten von Individuen, zwischen den
selten eine emotionale Beziehung entsteht. Vor diesem Hintergrund lassen sich Events wie Pop-
Festivals als eine besondere Möglichkeit zur Vergemeinschaftung verstehen. Sie schaffen real
erlebbare atmosphärische Räume, in den sich die Menschen gemeinsamen ästhetischen Erlebnissen
hingeben und in performativen emotionalen Prozessen begegnen können. Eine Person tritt aus
seinem Alltag herauszutreten um innerhalb einer Festival-Gemeinschaft ein einzigartiges Erlebnis zu
erfahren, welches nicht „nur den ‚Intellekt‘, sondern alle Sinne [anspricht], also ‚Wirklichkeit‘ sinnlich
fassbar und körperlich spürbar werden [lässt]“ (Gebhardt, Hitzler & Pfadenhauer, 2000, S. 10f).
Das Erlebnis Pop-Festival boomt, weil es ein Gemeinschafts- und Wirklichkeitsgefühl erzeugen kann,
welches man im Alltag scheinbar immer schwerer erreicht. Doch schaut man inzwischen mal etwas
genauer auf den deutschen Festivalmarkt, so zeigt sich, dass nicht alle Festivals von dieser Blütezeit
profitieren. Die Nachfrage nach Festivals ist groß, doch das Angebot scheint mittlerweile Größer. So
ist der deutsche Festivalmarkt gespalten. Während einige Veranstaltungen von Besucherrekord zu
Besucherrekord eilen, kommen viele andere auf Grund mangelnder Ticketverkäufe zunehmend in
finanzielle Not. Der Grund für Erfolg oder Misserfolg liegt dabei aber nicht allein in den häufig
herangezogenen finanziellen Möglichkeiten, das Booking oder den Standort des Festivals begründet.
Vielmehr zeichnet sich ab, erfolgreich sind Pop-Festivals mit Konzepten, die über die reine
Musikveranstaltung hinausgehen. Hierbei spielen Soziale Medien wieder eine entscheidende Rolle.
Facebook, Instagram oder Twitter haben für die Pop-Festivals nicht nur in der Kommunikation mit
den Besucher*Innen stark an Gewicht gewonnen, sondern ermöglichen das außeralltägliche Erlebnis
individuell zu erfahren, festzuhalten, zu verbreiten und in den Alltag zu übertragen. Ein paar Bands
und eine Bühne irgendwo im nirgendwo reichen dabei als Inszenierungs-Kulisse nicht mehr aus.
Aufwendige Dekorationen, Kunstinstallationen und Rahmenprogramme, die besondere
atmosphärische Räume erzeugen, sind eine Grundsubstanz für den Erfolg der Pop-Festivals
geworden. Festivalbesucher*Innen erwarten vielfältig gestaltete atmosphärische Räume, in denen sie
auf unterschiedlichste Art und Weise die Routinen des Alltags zurücklassen können. Räume in denen
einzigartige Erlebnisse entstehen, die weit über das einfachen Hörerlebnisse des Alltags
hinausgehen. Nicht alleine die Konzerte sind entscheidend für ein gelungenes Festival, sondern auch
die Fotomotive und sonstigen Geschichten die man dazu verbreiten kann.